April 13, 2014

{Rezension} Das Mädchen mit dem Haifischherz von Jenni Fagan

„Der Mond bringt die Wahrheit. Die Gezeiten liefern sie. Und wenn die Flut sich wieder zurückzieht, dann stiehlt sie jedes Mal etwas vom Ufer. Sie stiehlt Sand und Muscheln und Steine. Sie stiehlt Klippen und Felse und Zäune und Bäume und Felder und Häuser und Dörfer und Feldwege und zerrt alles hinab in die Tiefen des Meeres." 
                                                                   
Klappentext:
Anais Hendricks ist fünfzehn und sitzt auf dem Rücksitz eines Polizeiautos. Ihre Schuluniform ist blutverschmiert, und am anderen Ende der Stadt liegt eine Polizistin im Koma. Doch Anais kann sich da an nichts erinnern. Jetzt ist sie auf dem Weg ins Panoptikum, eine Besserungsanstalt für schwer erziehbare Jugendliche, die für das Waisenkind am Ende einer langen Kette von Heimen und Pflegefamilien steht. Das Panoptikum, ein ehemaliges Gefängnis im Niemandsland der Provinz, scheint wie gemacht für Anais, die mittlerweile sowieso denkt, sie sei ein Experiment, das Objekt einer Reihe von Versuchen, die zeigen sollen, wann ein Mensch zerbricht. Während Anais mit ihrer schwierigen Vergangenheit ringt und sich mit Mut und Fantasie durch ein Fürsorgesystem boxt, das ihr einen Schlag nach dem anderen versetzt, findet sie in den anderen Jugendlichen des Panoptikums fast so etwas wie eine Familie. Eine Familie, die sich ihre eigenen Mythen und Legenden schafft und deren Bande stärker sind als das System, aus dem es scheinbar kein Entkommen gibt. Es sei denn, du hast ein Haifischherz und Freunde, die dir helfen, ihm zu folgen ... .



Meine Meinung:
Obgleich die Meinungen zu dem neuen Roman, der in Schottland geborenen Autorin Jenni Fagan, stark auseinander gehen, so sind sich doch alle zumindest in einem einig: Der Roman ist auffällig und für mich persönlich auch unvergleichbar.

Die eben genannte Auffälligkeit beginnt bereits mit dem Buchcover. Schwarzer Hintergrund, im Zentrum ein blutverschmiertes Mädchen in einer, am Rande erkennbaren, Schuluniform. Der Kopf des Mädchens steckt in einem aufgerissenen Haifischmaul und drum herum allerlei Dinge drapiert: Lippenstifte, Pillen und Kapseln, Blumen, ein entzweibrechendes Herz, ein Eiffelturmanhänger. Nun, nachdem ich den Roman gelesen habe, denke ich, dass das Buchcover sehr passend ist und Anais (Gefühls-)Welt gut widerspiegelt.

Auffällig, und an dieser Stelle für mich eher negativ auffallend, ist aber auch die Sprache und die Wortwahl der Autorin. Auf vielen Seiten folgt ein Schimpfwort nach dem anderen, was ich grundsätzlich als sehr störend empfand. Diese Sprache, die vermutlich zur Authentizität beitragen sollte, wirkte auf mich einfach nur vulgär, teilweise etwas übertrieben und war für mich ein klarer Störfaktor, was wohl auch ein Grund dafür war, dass ich recht schwer in die Geschichte reinkam. Nach etwa der Hälfte des Romans gewöhnte ich mich schließlich ein wenig an diesen Schreibstil, begann mich damit ein wenig abzufinden, es wurde besser und ich stößte sogar auf einige Stellen, die mir sprachlich sehr gut gefielen.

Anais Hendricks ist eine sehr spezielle, fast schon zwiespaltige Persönlichkeit: Einerseits ist sie stark und hat Träume, verhält sich anderen gegenüber hilfsbereit und offen, andererseits zieht es sie doch immer wieder zu den Drogen und zu Menschen ihrer Vergangenheit, von denen sie weiß, dass sie nichts Gutes für sie bedeuten. Sie wirkt dann gleichgültig und festgesetzt. Ich denke, dass vor allem an einer Protagonistin wie Anais ein Teufelskreis deutlich wird, in welchem sich auch in der Realität viele Drogen- und Alkoholabhängige, Straßenkinder und Obdachlose etc. befinden und nur schwer einen solchen Teufelskreis, welchen sie nur schwer durchbrechen können. Ich muss an dieser Stelle jedoch auch sagen, dass ich den Aspekt des Drogenmissbrauchs in diesem Roman sehr kritisch sehe, da er einfach sehr beschönigt und übertrieben dargestellt wurde, was von einigen Lesern vielleicht etwas missverstanden werden kann.
Obgleich man einen guten Einblick in Anais Gedanken- und Gefühlswelt erhält, so hatte ich keinen richtigen Draht zu ihr. Da war trotzdem immer eine gewisse Distanz zwischen ihr und mir, sodass ich beispielsweise manche ihrer Handlungen in keinster Weise nachvollziehen konnte.
Mit den anderen Figuren dieses Romans ging es mir ähnlich. Sie blieben undetailliert und flach und waren meiner Meinung nach viel zu wenig ausgearbeitet und durchdacht, was ich sehr schade finde, da ich zum Beispiel in Figuren wie Isla oder Angus wirklich mehr Potenzial sehe.

Ein weiterer Aspekt, welchen ich noch ansprechen möchte, sind die Motive der Autorin, die mir noch immer unklar sind. Was wollte Jenni Fagan mit ihrem Roman bezwecken? Zeigt ihr Roman das Versagen des britischen Jugendhilfesystems und den falschen Umgang mit schwierigen Jugendlichen wie Anais? Zeigt er den Teufelskreis anhand Anais, die man als Repräsentantin vieler Menschen sehen kann? Zeigt er Drogenmissbrauch, Jugendprostitution und Selbstverletzung von Jugendlichen, die unter schwierigen Lebensbedingungen aufwachsen müssen? All diese Motive wären denkbar, blieben jedoch bis zuletzt unklar, weil sie überschattet wurden von anderen Aspekten wie der störenden, übertriebenen Wortwahl oder dem beschönigten und übertriebenen Drogenkonsums.

Grundsätzlich kann ich also sagen, dass der Roman mich nicht überzeugen konnte. Ich und vermutlich auch viele andere Leser hatten große Probleme mit der Sprache. Eigentlich alle Figuren blieben dem Leser auf Distanz, wirkten flach und undurchdacht und auch die Motive der Autorin hätten meiner Meinung nach deutlicher herausstechen müssen.


Ich bedanke mich ganz herzlich bei dem Verlag Antje Kunstmann für das zugeschickte Rezensionsexemplar!

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