August 11, 2014

{Rezension} Das Herz ist ein einsamer Jäger von Carson McCullers / Lovelybooks Klassiker der Weltliteratur



Ich muss ehrlich zugeben, vor diesem Roman war mir Carson McCullers eine schier Unbekannte. Umso neugieriger stürzte ich mich also auf ihr Erstwerk Das Herz ist ein einsamer Jäger" von 1940 nachdem es für die Lovelybooks-Klassiker-der Weltliteratur-Runde für den Monat Juli gewählt wurde.


Carson McCullers schildert das Leben von insgesamt fünf Hauptpersonen über einen Zeitraum von sechs Monaten. Zeitlich befinden wir uns in den Monaten vor Ausbruch des Weltkriegs. Im Mittelpunkt des Geschehens steht der gutmütige Taubstumme Singer. Innerlich zerrissen wird er beherrscht von einer bedingungslosen, fast schon wahnwitzigen Liebe zu seinem Freund Antonapoulos, der anfangs in eine Irrenanstalt eingeliefert werden muss. Trotz dieser innerlichen Zerrissenheit scheint Singer die einsamen Sonderlinge seiner Umgebung anzuziehen. Sie fühlen sich gehört und verstanden von ihm und kommen in seinem Zimmer zur Ruhe.
Zu diesen Sonderlingen gehören die weiteren vier Hauptpersonen dieses Romans:
Der nachdenkliche Cafébesitzer Biff Brannon, der meist schweigt, beobachtet und sich trotz seiner Eherfrau immer einsamer zu fühlen scheint.


Der Tod. Manchmal glaubte er zu spüren, dass er bei ihm im Zimmer war [...] Was wusste er? Nichts. Was war sein Ziel? Es gab keines. Was wollte er? Erkennen. Was erkennen? Einen Sinn. Warum? Ein Rätsel."  {Brannon}

Auch das junge Mädchen Mick Kelly gehört zu den Besuchern Singers. Aufgewachsen in einer kinderreichen Arbeiterfamilie träumt sie von einer Zukunft als Komponistin und Pianistin und lauscht an manchen Abenden heimlich im Garten ihrer Nachbarn dessen Radio, wodurch sie unter anderem Mozart und Beethoven kennen lernt.

„ ...nur ihr Herz war noch da, wie ein Kaninchen, und dieser fürchterliche Schmerz.
Das Radio und die Lichter im Haus wurden abgedreht. Die Nacht war sehr dunkel." {Mick}

Der dritte Besucher trägt den Namen Jake Blount und sieht in Singer einen Seelenverwandten. Blount, ein Alkoholsüchtiger, der von Stadt zu Stadt zieht und nirgendwo langfristig eine Bleibe findet, sieht sich selbst als Missionar an, um Karl Marxs Idee des Kommunismus zu verbreiten und versucht Fabrikarbeiter zum Widerstand gegen den Kapitalismus und die Ausbeutung großer Unternehmen aufzurufen. Doch Blount hat es schwer und stößt viel mehr auf Unverständnis und Gelächter.

Wenn er zu Hause war, ging er ruhelos im Zimmer auf und ab. Er setzte sich auf den Rand des ungemachten Bettes und kaute wütend auf seinen abgebrochenen, schmutzigen Fingernägeln. Der scharfe Geschmack des Schmutzes haftete in seinem Munde. Die Einsamkeit in seinem Innern tat so weh, daß sie ihn mit Entsetzen erfüllte." {Blount}

Der Letzte in dieser Gruppe ist der dunkelhäutige Arzt Benedigt Copeland, welcher sich für die Rechte der afroamerikanischen Bevölkerung in den Südstaaten der USA einsetzt und hierfür auch lebt. Er verlangt von seinen Kindern, etwas aus ihrem Leben zu machen, möchte, dass sie studieren und sich gegen die vorherrschende Unterdrückung währen. Seine Tochter, welches als Hausmädchen in Kellys Familie tätig ist, und auch ihre weiteren Geschwister dagegen verschrecken seine Forderungen und halten sie auf Abstand.


Auf Brutalität reagierte ich mit Vorsicht. Bei jeder Ungerechtigkeit blieb ich ruhig. Ich opferte das Erreichbare zugunsten eines hypothetischen großen Zieles. Ich glaubte an die Macht der Rede, nicht an die Macht der Faust. Ich lehrte, dass Geduld und der Glaube an die menschliche Seele die besten Waffen gegen die Unterdrückung wären. Heute weiß ich, wie sehr ich Unrecht hatte. Ich habe mich und mein Volk verraten. Unsinn ist das alles. Jetzt muss gehandelt werden, und zwar rasch. Hinterlist kann nur mit Hinterlist, Macht nur mit Macht bekämpft werden. {Copeland}



Der Roman erzählt also von dem Leben fünf verschiedenster Charaktere, die jedoch eines gemeinsam haben: Sie alle haben Träume und Ziele, Wünsche und Sehnsüchte und doch handelt dieses Buch nicht von Glück, sondern vom Scheitern, von Trostlosigkeit und von Einsamkeit, denn für jeden von ihnen zerplatzt ihr Traum von Glück.

Obgleich der Roman grundsätzlich in einer sehr schlichten Sprache geschrieben ist, durch die sich das Buch unkompliziert und rasch lesen lässt, versteht es die Autorin mit nur wenigen Worten Tiefes anzudeuten. Sie schafft es mit nur wenigen Worten dem Leser ein farbenfrohes Bild, eine bestimmte Stimmung zu vermitteln und genau das macht auf mich einen sehr beeindruckenden Eindruck.

Carson McCullers beginnt zunächst bei Singers Geschichte und wechselt dann alle paar Seiten die Sichtweise der anderen Hauptpersonen. Man lernt die Personen als Einzelne kennen und es scheint, die Handlung plätschere nur so vor sich hin bis die Autorin engere Kreise um ihre Hauptprotagonisten zieht, Handlungsstränge zusammenführt. Als Leser verfolgt man die verschiedenen Beziehungen, die Entwicklungen jedes einzelnen, hat Mitleid mit ihnen. Die Menschlichkeit steht im Vordergrund. Es geht um Träume, Sehnsüchte, Verzweiflung, Ängste, Missverständnisse. Es ist etwas wahnsinnig Zeitloses, das McCullers uns hier vermittelt. Und schließlich, nach dem Lesen, betrachtet man dieses Werk als Ganzes und ich bin nicht begeistert von einer mitreißenden Handlung oder unvergesslichen Charakteren. Ich sehe das Werk als Ganzes und das ist letztendlich das Beeindruckende, die Schlichtheit der Worte McCullers, die doch soviel mehr aussagen und auch die Tatsache, dass wohl jeder Leser in diesen fünf dargestellten Charakteren etwas von sich selbst findet.
Und dann geschah es. So also war das."

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